Dienstag, 28. Oktober 2008

Innovation aus der Katastrophe

Ich habe heute ein interessantes Detail über das Fahrrad, oder besser gesagt, über die Erfindung desselben gehört. Der Erfindung und Verbreitung des Fahrrades steht in gewisser Weise in einem ursächlichem Zusammenhang mit dem Ausbruch eines Vulkanes in Indonesien. Die Geschichte entwickelte sich in etwa wie folgt:

Im Jahr 1815 brach auf Indonesien der Vulkan Tambora aus. Wobei das Wort "Ausbruch" den Sachverhalt vielleicht verharmlost: der Vulkan ist in einer Explosion ausgebrochen, die die gesamte Vegetation auf der Insel sofort zerstört und vermutlich etwa 10.000 Menschen unmittelbar das Leben gekostet hat. In weiterer Folge erreichte große Teile des Materials der Eruption die Stratosphäre in einer Höhe von mehr als 40 km und verbreitete sich um die ganze Welt.

Das Jahr 1816 wurde in Europa und den USA auch das "Jahr ohne Sommer" genannt. Heutige Wissenschafter führen dies auf die Effekte der Eruption zurück. Hungersnöten in Europa, den USA und Kanada waren die Folge. In Europa wurde damit unter anderem auch das Pferdefutter sehr teuer und damit Transport mit Pferdefuhrwerken. Dies wiederrum brachte der Erfindung und der Verbreitung des Vorläufers (*g*) des Fahrrades dramatischen Aufschwung.

Ich finde es sehr interessant, wie Verknappung (in diesem Fall eine zeitlich begrenzte), von der uns doch oft eingeredet wird, sie würde nur zu Krisen und Problemen führen, dann in vielen Fällen die eigentliche Motivation für Innovation und der erfolgreichen Suche nach besseren Alternativen wird. Ich meine, wir sollten das bedenken, wenn wir wieder über höhere Treibstoffpreise oder höhere Kosten anderer Resourcen jammern. Vermutlich stellen diese vielmehr ein wichtigen Beitrag für eine bessere Zukunft dar.

Sonntag, 12. Oktober 2008

"Chinas Kohlekraftwerke sind Schuld am Klimawandel!"

Es gibt Nachrichten die "unschuldig" und "neutral" ankommen, tatsächlich aber derartig dreist sind, dass man es kaum für möglich hält: Das Pottsdamm Institut für Klimafolgenforschung hat einen neuen Bericht publiziert indem gewarnt wird, dass der Meeresspiegelanstieg schon in diesem Jahrhundert vermutlich einen Meter ausmachen wird. Die IPTC Prognosen wären zu zurückhaltend; u.a. auch deshalb weil die neuesten Daten in diese Studie noch nicht einfliessen konnten.

Dies ist leider keine gute Nachricht. Es verdichten sich im letzten Jahr die Publikationen, dass wir den "Tipping Point" möglicherweise schon überschritten und wir mit massiven Konsequenzen noch in diesem Jahrhundert zu rechnen haben. Es bleibt zu hoffen, dass die globale (!) Politik durch die Vielzahl an gleichlautenden Studien endlich reagiert und schnelle und entschlossene Schritte setzt.

Dennoch, dies ist nicht der eigentliche Grund meines Ärgers, der liegt darin, wie dieser Bericht in durchaus seriösen Medien rezipiert wurde bzw. über Aussagen die vermutlich in einem Interview getätigt wurden. Zu nennen sind z.B. Deutschlandfunk Wissenschaft, Süddeutsche Zeitung oder 3SAT Nano. Dort wird einerseits von der Studie berichtet aber auch auf Interviews mit dem Leiter des Forschungsinstitut Hans Joachim Schellnhuber Bezug genommen. Und man findet Aussagen wie
"20% der Abschmelzungen des Grönländischen Eissschildes könnten direkt dem Kohlendioxidausstoss chinesischer Kohlekraftwerke zugeordnet werden", Deutschlandfunk Forschung Aktuell 9.10.2008, letzter Beitrag
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Schellnhuber dies tatsächlich wörtlich gesagt hat, dafür konnte ich keinen direkten Beleg finden; allerdings finden sich diese Aussagen mit fast gleichem Wortlaut auch in anderen Medien (z.B. 3SAT) und das spricht schon eher dafür dass diese Aussage tatsächlich so gemacht wurde.

Eine solche Aussage ist natürlich eine Ungeheuerlichtkeit wie ich sie in der letzten Zeit selten gehört und gelesen habe und darf nicht unkommentiert bleiben. Sie ist eine Ungeheuerlichkeit auf mehreren Ebenen: Zunächst einmal hat CO2 kein "Mascherl", d.h. direkt kann überhaupt nichts zugeordnet werden! Die Aussage hört/liest sich für den unbedarften Bürger so, als würden die CO2 Moleküle aus den chinesischen Kraftwerken direkt den Eisschild Grönlands attakieren. Es ist eine Tatsache, dass China, Indien und andere Entwicklungsländer in den letzten Jahren in der Industrialisierung enorme Zuwächse verzeichnet haben und sich damit der Ausstoss von Klimagasen auch massiv erhöht hat. Aber Tatsache ist ebenso, dass die bei weitem überwiegende Menge an Klimagasen in den letzten Jahrzehnten von den USA, Europa und Australien produziert wurden. Sogar die obige Aussage zeigt dies: wenn 20% Chinas Kohlekraftwerken zugeordnet werden können, woher kommen dann die restlichen 80%? Oder um es anders auszudrücken: würden wir in den USA oder in Europa eine pro-Kopf Emission haben wie sie Entwicklungsländer heute haben, so hätten wir vermutlich (noch) überhaupt kein Problem!

Es müssen daher zwei Dinge strikt getrennt werden: Eines ist die wirklich furchterregende Tatsache, dass global mittlerweile wöchentlich etwa ein neues Kohlekraftwerk gebaut wird um den zunehmenden Energiehunger v.a. der Entwicklungsländer zu stillen. Leider erfolgt dies auch noch zumeist mit stark veralteter Technologie (von "Leapfrogging" also keine Spur); und was noch schlimmer ist: derartige Anlagen haben Laufzeiten von Jahrzehnten. D.h. die heutigen Installationen werden die Emissionen der nächsten Jahrzehnte prägen. Es wäre aber natürlich wichtig, dass gerade Entwicklungsländer die ihre Infrastruktur heute aufbauen dies mit der modernsten Technologie machen die vorhanden ist; z.B. vorwiegend erneuerbare Energien wie Sonnenerergie, Geothermik etc. nutzen, keinesfalls aber fossile Energieträger.

Dies ist die eine Seite, die andere Seite ist aber, dass wir "im Westen" seit Jahrzehnten fossile Energieträger in enormen Aussmaß verbrennen und immer noch für die größte Menge an Treibhausgasen verantwortlich sind. Noch deutlicher wird dies, wenn man eine pro Kopf Rechnnung durchführt. Es ist also in besonderem Maße unfair hier einen Seitenhieb auf China zu machen und damit indirekt die Nachricht zu vermitteln "Wir im Westen sind eh die Guten, Schuld an der zunehmenden Misere sind die Chinesen"; sollen sie doch bleiben wo sie sind, solange wir unseren Lebensstandard nur nicht um um einen Millimeter ändern müssen. Dies ist völlig unakzeptabel. Im selben Masse wie wir von China und Indien verlangen moderne und nachhaltige Wege zu gehen muss auch in der heute hoch-industrialisierten Welt in schnellen Schritten die von fossilen Energieträgern geprägte Gesellschaft verlassen werden.

Wir leben global in einem großen Massstab nicht-nachhaltig. Sehr eindrücklich zeigt dies das Global-Footprint Network mit dem "Overshoot Day". Dies war heuer der 23. September (im Jahr 2000 lag er übrigens noch Anfang November). Dies ist der Tag ab dem wir global sozusagen "auf Kredit" leben, d.h. mehr konsumieren als die Welt nachhaltig liefern kann. Dies ist eine recht plakative Veranschaulichung aber gibt uns einen Eindruck des Problemes.

Dies wird nun durch den Wirtschaftsaufschwung in Ländern wie China, Indien oder Indonesien noch offensichtlicher, weil nun auch die Menschen dort ihren Teil am Kuchen (zu Recht) einfordern. Dies erfordert globale Massnahmen die drastische Reduktionen von Treibhausgasen in der ganzen Welt zur Folge haben müssen; in den hoch-industrialiserten Ländern ganz genauso wie in Ländern wie China.

Aussagen wie die in den genannten Presseberichten führen nur dazu, dass der Durchschnittshörer bei uns wieder alle Verantwortung weit von sich weisen kann, denn, wir haben es ja letztlich immer gewusst: Schuld sind natürlich die Chinesen!!

Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)