Montag, 5. Mai 2008

Demokratie im 21. Jahrhundert

Mir ist kürzlich ein zwar in der Konsequenz absurder, aber wie ich denke vom Prinzip her interessanter Gedanke gekommen: Wir feiern heute (wenn notwendig auch mit großen populistischen Tönen) die Vorteile der Demokratie, zweifellos eine hart umkämpfte Errungenschaft der letzten hunderten Jahre. Dennoch, betrachtet man die Demokratie in der heutigen Spielform genauer so gibt es viele Probleme die erst durch die Globalisierung entstanden sind. Vor vielleicht 50 Jahren gab es natürlich auch eine internationale Politik, es gab Kriege (militärische-, Handelskriege) in denen Staaten massiv auf einander einwirkten, auch internationale Handelsbeziehungen aber dennoch war die Einflusssphäre der jeweiligen Regierungen doch viel stärker auf das eigene Land (und die unmittelbaren Nachbarn) beschränkt oder gerichtet und somit fand eine Balance eher auf lokaler Ebene statt.

Oder anders gesagt, in den 60er oder 70er Jahren des 20. Jahrhunderts hat sich eine französiche, italienische, russische, brasilianische Regierung sicherlich stärker auf ihre konkreten lokalen Probleme fokussiert. Da gab es natürlich Innen- und Aussenpolitik - betrachtet man aber die heutige Situation so gibt es ja kaum mehr eine nennenswerte Innenpolitik  die nicht tatsächlich massiv von äußeren Einflüssen gesteuert wird; seien es EU Gesetze, internationale Handelsbeziehungen oder globale Phänomene wie den Klimawandel, die uns systemisch verbinden. Dies sind alles keine Neuigkeiten und eigentlich jedem klar, der die internationale Landschaft beobachtet.

Damit aber geht natürlich auch einher, dass die Idee der Wahl, bzw. die Idee des Wählers eigentlich eine neue Betrachtung verdient. Heute blicken viele Menschen mit größerer Spannung auf die Wahl zum US Präsidenten, denn zur Wahl im eigenen Land. Und dies nicht nur weil Wahlen dort mit mehr "Glamour" ablaufen, sondern weil den meisten klar ist, dass der US Präsident auch auf ihr Leben in Europa, Asien usw. erheblichen Einfluß hat, vielleicht sogar mehr als die lokale Regierung. Die tatsächlichen Probleme der heutigen Zeit wie bspw. Krieg, Klimawandel und Zerstörung der Umwelt sind globale Probleme. Welchen verherenden Einfluß ein schlechter Präsident haben kann, konnten wir in den letzten zwei Amtszeiten von George Bush leicht erkennen. 

Unter den genannten Voraussetzungen bedeutet dies natürlich auch, dass der US Wähler einen ganz anderen Einfluß auf das globale Geschehen hat als bspw. ein Wähler in Österreich oder der Schweiz. Dies trifft in kleinerem Rahmen genauso auf andere Staaten wie Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland usw. zu. Bei genauer Betrachtung ist es nicht einzusehen, dass US Wähler mit mangelndem internationalen Horizont (im Glauben einen Präsidenten für die vereinigten Staaten zu wählen) tatsächlich das Geschick der ganzen Welt bestimmen. Hier hat die Demokratie wohl eine ganz neue Dimension bekommen. Ähnliches trifft auch zu, wenn europäische Politiker den Menschen Polit-Kasperltheater im jeweils eigenen Land vorspielen, lokale Parlaments- oder Präsidentenwahlen hochstilisieren, aber EU-Wahlen unter ferner liefen abgehandelt werden (oder sie sogar missbrauchen um lokalpolitische Konflikte auszutragen). Genau dort spielt aber die Musik. EU Politik bestimmt heute schon unser tägliches Leben viel stärker als nationale Politik (und das halte ich für eine gute Entwicklung), spielt aber leider international noch eine zu geringe Bedeutung.

Mit einem "Präsidenten" wie Bush wird natürlich noch ein weiteres Problem offensichtlich, dass nämlich tatsächlich der Präsident kaum mehr Politik macht, sondern Lobbyisten, Interessensvertreter verschiedener Industrien die sich indirekt einen Hampelmann aufstellen der dann als Exekutor ihrer jeweiligen politischen Interessen fungiert. Das ganze wird dann sanktioniert von einer durch platte und politisierte Medien verdummte, leicht manipulierbare und kaum mehr als kritisch zu bezeichnende Öffentlichkeit, wie man das auch zuletzt in Italien sehen konnte (wenngleich die internationale Bedeutung von Berlusconi im Vergleich zu Bush natürlich gegen Null geht und insofern einigermassen irrelevant ist). D.h. nicht nur wählt der Wähler in mächtigen Staaten wie den USA Politiker die die Weltpolitik bestimmen, sie wählen aber tatsächlich die dahinterstehenden Lobbyisten die im wesentlichen ihre eigenen Interessen im Sinn haben (und dafür sehr viel Geld locker machen).
"Interessensverbände machen die Politik. Die ziehen die Fäden, an denen politische Hampelmänner hängen, die uns auf der Bühne der Berliner Puppenkiste Demokratie vorspielen dürfen. Diese Politfiguren dürfen dann in den öffentlich-rechtlichen Bedürfnisanstalten bei den Klofrauen Christiansen und Illner ihre Sprechblasen entleeren. Und wenn bei der intellektuellen Notdurft noch was nachtröpfelt, dann können sie sich bei Beckmann und Kerner an der emotionalen Pissrinne unter das Volk mischen.", Georg Schramm
Dieses Zitat des deutschen Kabarettisten Georg Schramm bezieht sich zwar auf Deutschland, ist aber wohl im selben Maße, ich meine sogar noch viel stärker auf die internationale Bühne anwendbar.

Wenn es schon kaum als realistisch anzusehen ist, dass die vereinigten Staaten den Rest der Welt naher Zukunft an den amerikanischen Präsidentschaftswahlen teilnehmen lassen (auch wenn das vom Einfluß der USA  her betrachtet wohl eine korrekte Beurteilung der Lage darstellen würde, und auch den Einfluß lokaler Lobbyisten sehr beschränken würde), so sollten wir wenigstens dafür sorgen, dass wir mit der EU einen mächtigen und vernünftigen Ausgleich zur US Politik darstellen können, was heute leider noch kaum der Fall ist. Wir haben zwar auch in Europa Lobbies, aber je breiter die demokratische Basis der Welt ausfällt, die tatsächlich über globale Politik entscheidet, desto geringer wird hoffentlich auch der Einfluß dieser Interessensvertreter.

Die Probleme vor denen wir stehen sind dramatisch und vor allem global, also mit nationalem Denken keinesfalls zu lösen. Also weg mit dem nationalen Theater hin zu einer ernsthaften und fokussierten gemeinsamen EU Politik und in weiterer Folge zu einer Stärkung der internationalen politischen Organisationen mit dem Versuch eine Demokratie zu installieren, die nationale Beschränkungen überwindet und tatsächlich über Einfluß verfügt!

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Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)