Donnerstag, 29. November 2007

Es ist ja "nur Geld"?

In öffentlichkeitswirksamen Diskussionen wird fallweise das "Killerargument" eingeworfen, es ginge ja "nur um Geld", und man könnte doch ein Menschenleben nicht wegen einer bestimmten Summe riskieren. Z.B. in Diskussionen wo mit diesen Argumenten besonders teure Behandlungsformen gerechtfertigt werden sollen, und auf der anderen Seite z.B. die Vertreter von Krankenkassen sitzen. Die Rollenverteilung ist dann doch recht klar: Die Vertreter der Krankenkassen sind böse, die "nur Geld" Argumentierer sind die guten Humanisten.

Dies ist nur ein Beispiel, denn dieses Muster findet man in verschiedenen Kontexten wieder. "Es kann doch nicht sein dass nur wegen (beliebige Summe einsetzten) dies und jenes nicht verwirklicht werden kann". "Am Geld darf doch dies und jenes nicht scheitern (mehr Lehrer, Pensionserhöhung)."

Geld ist für uns immer noch ein abstrakter Begriff, und wir vergessen in diesen Diskussionen leider, dass es eben nicht "nur" um Geld in einem abstrakten Sinne geht, sondern dass eben dieses Geld tatsächlich für Möglichkeiten steht. Das Geld repräsentiert Optionen, Resourcen und wie wir diese nutzen ist gut abzuwägen. Investieren wir 100.000 Euro in die Behandlung einer einzelnen Person (um ein Beispiel zu nennen), so bedeutet dies, dass diese 100.000 Euro für viele andere Dinge nicht mehr zur Verfügung stehen: z.B. für Forschung und Wissenschaft, für Kinderbetreuung, für den Strassenbau, für Präventivmassnahmen im medizinischen Bereich, die eventuell tausenden zu gute kommen oder für Dienstwägen von Politikern.

Allgemeiner gesagt, Resourcen sind immer ein begrenztes Gut und insofern muss es uns klar sein, dass wir eine "Ausgabe" eine "Verwendung" auf der einen Seite mit einem Entzug oder jedenfalls einem Nicht-Einsatz an einer anderen Stelle erkaufen.

Das soll natürlich nicht bedeuten, dass es nicht gute Gründe geben kann in einzelne Personen 100.000 Euro für medizinische Behandlungen zu investieren. Wir können und sollen dies vermutlich tun, es muss uns nur klar sein, was mir mit solchen Entscheidungen tatsächlich bewirken. Kaufen wir statt dieser 100.000 Euro einen Dienstwagen weniger ist dies vermutlich eine gute Entscheidung. Investieren wir deswegen 100.000 Euro weniger in medizinische Forschung muss dies gut durchdacht werden.

Um den Einwand gleich vorwegzunehmen: sicherlich können Resourcen zu einem gewissen Maße vermehrt , effizienter eingesetzt werden usw. Aber auch dies bedeutet wiederrum Resourceneinsatz der vorher notwendig ist, z.B. in effizienzsteigernde Maßnahmen oder in Forschung usw. Geld übrigens, dass selten von denjenigen kommt, die es so leichtfertig als Argument gebrauchen. Und das Geld anderer, die Resourcen "der Gesellschaft" (wieder ein abstrakter Begriff) lässt sich natürlich immer leicht ausgeben.

Es ist also eigentlich niemals "nur Geld", es ist tatsächlich immer eine Abwägung welchem Problem wir welche Aufmerksamkeit und welche Beachtung, und damit auch welchen Resourceneinsatz widmen. Dies wird über den Faktor Geld ausgedrückt. Und damit haben wir eine Diskussion auf einer ganz anderen Ebene! Und die Diskussionen sollten dann auch tatsächlich auf der richtigen Ebene geführt werden also z.B.:
  • Wie wollen wir begrenzte Mittel möglichst gerecht verteilen
  • Wie wollen wir begrenzte Mittel und Resourcen effizienter einsetzen
  • Wie wollen wir die vorhandenen Mittel vermehren (z.B. durch gerechte Beiträge zu Krankenkassen und gerechte Steuersysteme)
  • Was bedeuetet eigentlich "gerecht", "ethisch" usw. im jeweiligen Kontext
Nehmen wir also einerseits "Geld" ernster und lösen wir uns damit auch gleichzeitig davon indem wir die Diskussion auf das tatsächliche Thema zurückführen!

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Zum Abschluss...

Es freut mich, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mein Blog zu lesen. Natürlich sind viele Dinge, die ich hier diskutiere aus einem subjektiven Blickwinkel geschrieben. Vielleicht teilen Sie einige Ansichten auch nicht: Es würde mich jedenfalls freuen, Kommentare zu lesen...

Noch ein Zitat zum Schluß:

"Ich verhielt mich so, als wartete ein Heer von Zwergen nur darauf, meine Einsicht in das Tagesproblem, zur Urteilsfindung von Gesellschaft und Politik zu übersetzen. Und nun stellt sich heraus: Dieses Heer gibt es nicht.

Ganz im Gegenteil erweist sich das kulturelle Getriebe als selbstimmunisierend gegen Kritik und Widerlegung. Es ist dem Lernen feind und wehrt sich in kollektiver Geschlossenheit gegen Umdeutung und Innovation.", Rupert Riedl, Evolution und Erkenntnis, Piper (1985)

:-)